Eine Augmented Reality-App wie „pastZurich“ konzipieren
In unserer Arbeit bei der Erstellung von Mobile-Apps erreichen wir immer wieder den Punkt, an dem wir mit gänzlich Neuem konfrontiert werden. Neuland, sozusagen. And this is where the fun begins, denn: Neue Technologien bedingen häufig auch komplett neue Formen von User Experience und Interaction Design und stellen uns und unsere Projektpartner vor spannende Herausforderungen.
Das Augmented Reality-Museum für die Hosentasche
Exakt diese Situation trafen wir zu Beginn unserer neuesten Augmented Reality-App „pastZurich“ an. Das Amt für Städtebau der Stadt Zürich wollte mit unserer Hilfe einen ganz besonderen Teil von Zürichs Geschichte sichtbar machen. Was nämlich längst nicht einmal alle Stadtzürcher wissen ist, dass sich unter dem Sechseläutenplatz mitten im Stadtzentrum Überreste einer Pfahlbausiedlung befinden.
Das Ziel des Projektes “pastZurich” war es also, der Öffentlichkeit diese Jahrtausende alte Siedlung wieder zugänglich zu machen. Das Hauptproblem ist nur, dass der Sechseläutenplatz immer wieder von Marktständen, Festivals und anderen Aktivitäten “in Beschlag genommen” wird.
Für uns war schnell klar, dass die Lösung dieser Herausforderung mit Hilfe von Augmented Reality gefunden werden sollte. Eine Mobile App soll dafür sorgen, dass jeder Besucher seine eigene Pfahlbausiedlung auf dem Sechseläutenplatz aufrufen und erkunden kann. Das Museum für die Hosentasche, sozusagen. Allerdings begaben wir uns damit auf technologisches sowie konzeptuelles Neuland.
Von der Innovation zur Mobile App
Um von Anfang an sicherzustellen, dass der End-User die bestmögliche Experience hat, schlossen wir uns mit SparkWorks zusammen. Unsere Freunde von SparkWorks sind Spezialisten darin, Brücken von der innovativen Idee zur intelligenten und gewinnbringenden Umsetzung in der Praxis zu schlagen. Was sie zum idealen Partner beim pastZurich-Projekt machte.
Im Interview mit dem Bitforge-Blog stand uns Daniel Perschy, Business Consultant und Projektleiter bei SparkWorks, Red und Antwort und erzählte uns, worauf es bei der Konzeption eines so innovativen Projektes zu achten gilt:
Daniel, welche Ausgangslage fandet ihr beim Projekt “pastZurich” vor?
Das Team der Stadt Zürich war entschlossen die Pfahlbauten am Sechseläutenplatz den Zürcherinnen und Zürchern und Gästen mittels Augmented Reality (AR) näherzubringen. Einerseits ist dies schon eine konkrete Lösung, für das Ziel den historischen Ort einfacher zugänglich zu machen. Andererseits ist AR jedoch auch eine Technologie, die unendlich viele Möglichkeiten bietet. Unser Team hatte schon vor dem Projekt eigene Vorstellungen und Ideen entwickelt – jedoch immer auf individueller Ebene. Ziel des Projektes war es, das Team intern abzustimmen und eine gemeinsame Vorstellung zu entwickeln und sich auf diesem Weg immer von den Bedürfnissen der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer leiten zu lassen.
Welches waren die grössten Hürden, die zu Beginn bestanden?
Wir hatten die Chance, die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer in explorativen Gesprächen abzuholen. Dafür sind wir an historische Ort in der Stadt gereist, um dort mit Besucherinnen und Besuchern sowie Einheimischen zu sprechen. Wir wollten genau verstehen, wie wir die Technologie einsetzten können, um nachhaltig positive Erfahrungen und ein aufregendes Ereignis zu schaffen. Die grösste Herausforderung war die Bedürfnisse von sehr heterogenen Zielgruppen wie Touristen, Bewohnerinnen und Bewohnern, Lehrerinnen und Lehrern zu verstehen und Gemeinsamkeiten und Prioritäten über Gruppen hinweg zu identifizieren. Gleichzeitig mussten wir diese Informationen an das Projektteam kommunizieren, damit dieses empathische Entscheidungen im Sinner der Nutzerinnen und Nutzer treffen konnte. Geholfen haben uns dabei Frameworks aus dem Design Thinking wie Personas, Venn-Diagramme und User Stories.
Das Thema Augmented Reality ist noch relativ neu. Wie habt ihr sichergestellt, dass das gesamte Projektteam dasselbe Verständnis der Technologie hat?
Wir haben das Team von Bitforge direkt in den Konzept-Workshop miteinbezogen. Dieses hat die Möglichkeiten und Limitationen der Technologie anhand von Beispielen anschaulich und verständlich illustriert. Das hat das Projektteam inspiriert aber gleichzeitig den Rahmen der Möglichkeiten abgegrenzt.
Wie seid ihr damit umgegangen, dass bis zuletzt nicht zu 100% klar ist, wie das Projekt technisch umgesetzt werden kann?
In erster Linie haben wir die technische Umsetzung bewusst nicht sofort berücksichtigt. Sie verengt den Lösungsraum und baut Denkschranken auf. Gerade am Anfang wenn es darum geht die ideale Lösung zu finden, möchte man das vermeiden. Ganz besonders, weil sich oft später herausstellt, dass die Technologie selbst selten der limitierende Faktor ist. Später hat Bitforge geholfen die technische Machbarkeit der einzelnen Lösungen zu evaluieren. Jedoch erst zu einem Zeitpunkt, an dem die besten Ideen aus Nutzersicht bereits generiert wurden.
Worauf habt ihr bei der Konzeption der App den Fokus gelegt?
Wir haben uns bei der Lösungsentwicklung auf die Erkenntnisse der Nutzerforschung – also auf die Gespräche mit den Nutzerinnen und Nutzern – gestützt. Ideen wurden streng aus Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner, Touristen und Lehrerinnen und Lehrer entwickelt. Zusätzlich war uns wichtig, alle internen Beteiligten in den Prozess zu involvieren, damit für die Durchführung der App ein gemeinsames Verständnis sichergestellt ist.
Was sind bei so einem innovativen Projekt die grössten Stolpersteine, die das Projekt gefährden können?
Meiner Meinung nach sind die grössten Risiken Entscheidungsmüdigkeit, Missverständnisse der Nutzerinnen und Nutzer-Anliegen sowie die Komplexität der Zeitplanung. Gerade am Anfang ist es wichtig, klare Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Oft wird versucht, alles zu machen, was am Ende die Qualität der Lösung beeinträchtigt. Nutzerinnen und Nutzer zu verstehen ist nicht einfach, man braucht dafür viel Expertise und Kommunikation, um sicherzugehen, dass Anliegen auch wirklich richtig verstanden wurden.
Ausserdem war es eine Herausforderung, dass in diesem Projekt zahlreiche Abteilungen der Stadtverwaltung involviert waren – Archäologen, Denkmalpfleger, Kommunikation sowie zusätzliche externe Dienstleister. Jeder hatte ein kleines Stück Verantwortung für den Gesamterfolg. Dabei ist wichtig, dass Deadlines abgestimmt sind und die Arbeitspakete wie Zahnräder ineinander greifen.
Wie habt ihr diese Stolpersteine vermieden?
Wir haben penibelst darauf geachtet, gemeinsam klare Entscheidungen zu treffen. Der Prozess der Entscheidungsfindung war für alle transparent, was für Verständnis sorgt und Klarheit gibt. Ideen wurden gezielt priorisiert und verworfen. Um sicherzugehen Nutzerinnen und Nutzer richtig verstanden zu haben, haben wir ihre Stimmen im Prozess immer wieder einfliessen lassen und unsere Entscheidungen getestet. Dies haben wir mit schnellen und kostengünstige Prototypen erledigt. Sie dienen als Kommunikationsobjekt und helfen Unstimmigkeiten auszuräumen. Auch die grobe Zeitplanung wurde kollektiv durchgeführt, damit ein Bewusstsein im Team für die gegenseitige Verantwortung entsteht.
Wie werden neue AR-User deiner Meinung nach am besten abgeholt, damit die Anwendung gut verstanden wird?
Am Besten orientiert man sich an Lösungen, die den Nutzerinnen und Nutzern aus ihrem Alltag bekannt sind. Die meisten Menschen waren schon einmal im Museum oder haben historische Informationen über Informationstafeln kennengelernt. Wenn man die Technik ausblendet und sich bemüht, vergangene Erfahrungen durch analoge Geschichten zu verstehen, gibt es kaum Verständigungsprobleme. Es ist unsere Aufgabe die Technologie den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt.
Was bereitet den Usern die grösste Mühe?
Unserer Erfahrung nach haben die Nutzerinnen und Nutzer kaum Mühe mit der Anwendung selbst. Auch Personen über 75 Jahren haben sich in der Befragung offen gegenüber der Technologie geäussert. Die grösste Barriere ist die Verfügbarkeit der Technologie und überhaupt auf die Lösung aufmerksam zu werden. Gleichzeitig wird es als Mühsam empfunden, das Gerät über einen längeren Zeitraum hinweg auf Augenhöhe zu halten.
Welcher Aspekt des Projektes gefällt dir am besten? Worauf bist du am meisten stolz?
Am Besten gefällt mir, dass wir es geschafft haben, realitätsnahe historische Szenen zu inkludieren. Das war auch eines der größten Anliegen – und zwar über alle Nutzergruppen hinweg. Menschen haben uns erzählt, dass sie während ihrer einprägsamsten Erlebnisse mit den Objekten interagieren konnten. Museumsbesuche mit taktilen Erfahrungen bleiben besonders lange im Gedächtnis hängen. Diese Erfahrungen konnten wir auch bei pastZurich berücksichtigen. Ureinwohner erzählen ihre Geschichten und man hat das Gefühl, 7’000 Jahre in der Vergangenheit neben ihnen am Feuer zu sitzen.
Die App „pastZurich“ ist sowohl für iOS als auch für Android verfügbar und kann gratis heruntergeladen werden. Jetzt herunterladen: