Ein Exkurs ins «Metaverse»

Was vor 30 Jahren Science Fiction war, nimmt reale Formen an. VR, AR, digital Twins – alles Begriffe, die bereits seit Jahren bekannt sind. Nun hat Mark Zuckerberg diese Liste mit dem «Metaverse» erweitert.

Doch halt: Der Begriff ist nicht neu! Meta (respektive Facebook) hat ihn in einem schlauen Marketing-Schachzug für sich beansprucht, obwohl der Begriff bereits seit 1991 existiert und die Vision davon bei fast allen Tech-Konzernen als Richtlinie gilt. Trotz imposant inszenierter Präsentation ist noch nicht klar, wie diese virtuelle Parallelwelt entstehen soll und wie sie sich demnächst in unseren Alltag einfügt. Klar ist: Wir sind bereits auf dem Weg zu dem, was vor kurzem erst in Romanen und Filmen existierte.

Im Film «Ready Player One» existiert etwas ähnliches wie das von Meta angedachte «Metaverse». Quelle: Youtube

30 Jahre «Metaverse»

Den Ursprung vom «Metaverse» finden wir im 1991 veröffentlichten Science Fiction Roman «Snow Crash» von Neal Stephenson. Er beschreibt das «Metaverse» als eine Parallelwelt, in die sich die Menschheit nach und nach zurückzieht. Es ist ein Ort, der von Grosskonzernen und Verbrechen dominiert wird und dennoch von den Menschen als «besser» wahrgenommen wird, als die chaotischen Zustände der Realität. Seitdem ist das «Metaverse» Grundlage für zahlreiche Bücher und Filme geworden. Es begegnet uns in seinen Grundsätzen dann auch im Roman «Ready Player One» von Ernest Cline aus dem Jahr 2011 und dessen spätere Verfilmung . Auch dort ist die Realität längst kein lebenswerter Ort mehr und mittels high-tech Ausrüstung und VR-Brillen ziehen sich fast alle Bewohner komplett in die digitale Welt – der sogenannten «Oasis» – zurück. Auch der Kult-Klassiker «Matrix» zeigt Ansätze eines «Metaverse», allerdings in einer anderen Ausprägung.

Wir leben bereits im «Metaverse»

Mittlerweile ist ein «Metaverse» längst keine Fiktion mehr. Bereits jetzt bewegen wir uns spielend leicht zwischen realer und digitaler Welt und die Pandemie hat diese Verschmelzung zusätzlich beschleunigt. Zoom, Teams und Online-Games boomen und während wir in Lockdowns auf unserer Couch sitzen, vernetzen wir uns über Konsolen, Handys und PCs mit der Welt «da draussen». Das «Metaverse» will diese Vernetzung auf ein neues Level heben. Mit einem digitalen Zwilling unserer selbst – einem Avatar – der sich in virtuellen Räumen trifft, sich austauscht und am sozialen Leben teilnimmt. Hier jedoch verschwimmt bei Meta die Unterscheidung von Virtueller und Augmented Reality und die Frage stellt sich: Begeben wir uns in eine virtuelle Welt (VR), oder verschmilzt unsere Realität mit digitalen Features (AR)? Beides sehen wir in Zuckerbergs Präsentation was zeigt, dass hier noch vieles unklar ist.

Mark Zuckerberg präsentierte seine Vorstellung vom «Metaverse» höchstpersönlich. Quelle: Youtube

«Metaverse» gehört nicht Meta

Derweil ist Meta nicht der einzige Konzern mit der Idee des «Metaverse». Auch Epic Games und Microsoft arbeiten jeweils an ihrer Vorstellung davon (So wird Microsoft beispielsweise im ersten Halbjahr 2022 «Mesh» lancieren: Ein Avatar-Tool für Microsoft Teams). Und genau hier liegt das Problem von Meta und ihrer Vorstellung eines «Metaverse», denn es lässt sich nicht nur von einem Konzern lancieren. Genauso wie es nur ein Universum gibt, kann es nur ein Metaversum geben. Wenn nun Facebook sowie Microsoft ihr eigenes «Metaverse» lancieren, handelt es sich dabei nur mehr um eine weitere Social Media-Plattform im Sinne von Second Life, bei der sich der User entscheiden muss, in welchem er sich bewegt.

Auch Microsoft ist bei der Entstehung des Metaversums ganz vorne mit dabei und präsentierte Anfang des Jahres «Mesh». Quelle: Youtube

Achtung, es wird philosophisch

Ein Metaversum im Sinne seiner Definition setzt also voraus, dass Meta diesen Begriff nicht für sich alleine beansprucht, sondern kollaborativ daran mitarbeitet. Das widerspricht natürlich dem wirtschaftlichen Gedanken, der allen Tech-Konzernen zugrunde liegt, sagte kürzlich auch Thomas Metzinger, Professor für theoretische Philosophie gegenüber der taz. «Das Geschäftsmodell der interessierten Konzerne ist grundsätzlich von Gier getrieben und wachstumsorientiert. Der Aufbau eines ‘Metaverse’ wäre niemals gemeinwohlorientiert, dahinter steht kein prosozialer Impuls», so Metzinger. Die Umsetzung eines «Metaverse» kann also weder von Meta allein beansprucht werden, noch dann, wenn Tech-Giganten zusammenspannen und kommerzielle Interessen verfolgen. Eine virtuelle Parallelwelt müsste nach denselben Regeln gestaltet werden, wie unsere Realität – der Staat müsste also auch beim «Metaverse» zwangsläufig regulierend eingreifen, so wie es jetzt schon bei grossen Tech-Konzernen versucht wird.

Die Hololens von Microsoft ist für den Alltagsgebrauch nach wie vor zu teuer und zu gross. Bild: Bitforge

AR-Brillen werden das Smartphone ersetzen

Bevor wir uns komplett in eine andere Welt verabschieden, die wir nur noch zum Essen und Schlafen verlassen, wird die digitale Welt weitgehend mit unserer Realität verschmelzen. Jene Tools, die dafür in Frage kämen und derzeit auf dem Markt wären, sind nach wie vor viel zu teuer, meist unhandlich, unbequem und nicht alltagstauglich. Es ist aber nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier die Preise purzeln und bald – ähnlich wie beim Smartphone – jeder eine AR-Brille oder Linsen trägt. Bei AR handelt es sich eindeutig um die nächste Generation unserer digitalen Interaktion und sie wird unseren Alltag und die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, revolutionieren. Ob wir es dann «Metaverse», «Cyber Space» oder «Rainbow Road» nennen, ist dann im Endeffekt egal.